Ich gebe es zu, so genau wusste ich auch nicht, wo ich das Oisans in den französischen Alpen lokalisieren sollte. Die Ausschreibung zum "Défi de l´ Oisans" (etwa mit " Herausforderung des Oisans-Gebirges" zu übersetzen) machte mich aber neugierig.
Das Gebiet befindet sich etwa 40 km Luftlinie südöstlich von Grenoble. Ein wildes und nur gering erschlossenes Gebiet in den französischen Alpen. Namen wie L’Alpe d’Huez kennt man als Etappenort und Bergwertung bei der Tour de France, von der Barre des Écrins, dem südlichsten Viertausender des Alpen, hatte ich auch schon gelesen.
Les Deux Alpes
In Les Deux Alpes, einem bekannten Wintersportort, der insgesamt eher eine einzige, in den 1960er Jahren entstandene Bausünde auf 1.650 m darstellt, findet seit 1991 ein Etappenlauf statt. Dabei wird, in meist sechs Tagesetappen, das Oisans, überwiegend auf der Trasse des Wanderwegs GR 54 umrundet. Der Lauf heißt "Tour de l´Oisans et des Écrins" und ist in Deutschland bisher nahezu unbekannt gewesen.
Aus Anlass des 20. Jubiläums dieses Laufes und als Ehrung für einen kürzlich verunglückten französischen Bergsteiger und Läufer, Laurent Smagghe, wurde der Lauf in 2011 erst- und einmalig als Nonstop-Veranstaltung ausgeschrieben.
Das Höhenprofil beeindruckt auch erfahrene Ultratrailer:
Bezogen auf den UTMB, ist der TOE zwar nur 14 km länger, allerdings sind statt der dortigen 9.500 hier 12.000 Höhenmeter in Auf- und Abstieg angesagt. Und, aber das war der Ausschreibung nicht so deutlich zu entnehmen, es sind technisch wirklich anspruchsvolle Singletrails zu laufen. Die Markierungen des dabei überwiegend genutzten GR 54 sind auf eine Begehung bei Tag ausgelegt und insgesamt recht sparsam. Der Veranstalter schrieb deshalb, neben den sonst in Frankreich bei Hochgebirgsläufen üblichen Pflichtausrüstungs-gegenständen, auch zwingend die Mitnahme eine GPS-Gerätes vor.
Wenige Wochen vor dem Start am 27.07.2011 wurde ein umfangreiches Roadbook mit detaillierten Wegbeschreibungen und Kartenausschnitten versandt. Die GPS-Daten wurden als Download zur Verfügung gestellt. Die Informationen und Aktualisierungen auf der Website des Veranstalters empfand ich als äußerst professionell.
Nach meiner Meldebestätigung war ich lange Zeit der Meinung, wieder einmal der einzige deutsche Teilnehmer bei einem französischen Lauf zu sein. Erst wenige Tage vor meiner Anreise meldete sich Uwe Herrmann bei mir. Er war ebenfalls angemeldet und wollte den TOE als letzten großen Vorbereitungslauf für den TdG im September nutzen.
Die Ausgabe der Startunterlagen und das Briefing der Läufer fand am 26.07.2011 im Start- und Zielort Les Deux Alpes statt. Eine Kontrolle der Pflichtausrüstung gab es dabei nicht. Die Größe der Laufrucksäcke am Starttag, dem 27.08.2011, ließ aber keinen Zweifel aufkommen, dass, aufgrund der unsicheren Wetterprognosen, wohl die allermeisten eher mehr als weniger eingepackt hatten.
Vor dem Start mit Uwe Herrmann
242 LäuferInnen machen sich am Mittwoch kurz nach 08:00 h auf den Weg.
An der anderen Talseite folgt sofort ein Anstieg von knapp 900 hm auf den ersten Pass, den...
...Col de Cluy (km 12,3) mit einer Getränkestation
Auf und ab geht es insgesamt ohne Schwierigkeiten über den Col de Sarenne nach Besse en Oisans (km 25,3)
Beim Anstieg zum Col Nazié (1.901 m, km 27,8) und der Hochebene
Plateau Emparis hat Regen eingesetzt
Schlammpackung beim Abstieg von Les Terrasses nach La Grave
Auf dem Weg zum Col d´Arsine
Anstieg im Regen
Nach der Passhöhe (2.355 m) des Col d`Arsine
Nebel und Dämmerung beim Abstieg nach Le Casset (1.512 m)
Ich wechsle meine durchnässten Laufschuhe und ziehe mich für die Nacht um. Nach einer warmen Mahlzeit verlasse ich gegen 22:45 h das Base Vie und mache mich auf den Weg nach Vallouise (km 83,1), das ich über den Col de l´Eychauda (2.423 m) gegen 03:15 h erreiche.
Nach einer kalten Dusche schlafe ich ca. zwei Stunden und nehme ein Frühstück. Dabei unterhalte ich mich lange mit Axel Bücheler, der als mehrfacher Teilnehmer des Etappenlaufs, dieses Jahr als unermüdlicher und einziger Deutsch sprechender Helfer im Einsatz ist.
Um 05:55 h am Donnerstag verlasse ich, nach einer Schlafpause von ca. 2:00 h,
das zweite Base Vie in Vallouise
Der nächtliche Regen weicht einem zunächst sonnigen Tagesanfang
Anstieg zum Col de l´Aup Martin (2.761 m)
Nach dem Col geht es weiter zum Pas de la Cavale...
... und anschließend knappe 900 m hinunter zum Refuge du Pré de la Chaumette (1.805 m, km 108)
mit einer Getränkestation
Der folgende Anstieg führt über drei weitere Pässe (höchster Punkt 2.607 m, Col de la Vallette)
zum Refuge Xavier Blanc (2.271 m, km 125)
Im dortigen 3. Base Vie treffe ich, wie immer wieder während des TOE, auf bekannte Gesichter. Uwe Hermann macht sich gerade für den Weiterweg fertig, Chris Marolf (CH), den ich erst vor 3 Wochen beim TVSB gesehen habe und Beat Jegerlehner (USA) haben gerade eine Schlafpause eingelegt.
Ca. 5 km geht es gemütlich im Tal dahin, bevor der Anstieg zum Refuge des Souffles beginnt. Es ist stockfinster. Nach dem Refuge folgt eine lange Traverse in Richtung Col de la Vaurze. Dichter Nebel und schmale Singletrails machen das Vorankommen nicht leicht. Das Streulicht der Stirnlampe verursacht im wabernden Nebel irritierende Effekte. Meine Konzentration steigt mit dem Adrenalinspiegel.
Der Col de la Vaurze liegt über der Wolken- und Nebeldecke
Diese beiden "Bénévoles" haben die Kontrollstelle am Col auf 2.500 m die ganze Nacht besetzt gehalten. Ihnen und allen ca. 70 weiteren Helfern kann nicht genug für ihr Engagement gedankt werden.
Jemseits des Cols de la Vaurze tauchen wir wieder in die Wolken ein
Auf dem Weg nach Le Désert (1.268 m, 152 km). Dort befindet sich ein weiteres Ravitaillement
Während es zu Beginn des Anstiegs sonnig und heiß ist, ziehen am Col (2.613 m)
wieder Wolkenschwaden auf.
Abwärts nach Le Bourg d´Aroud. Über das Refuge de la Muzelle geht es über eine Distanz von 14 km teilweise schwierig und kraftraubend 1750 Höhenmeter hinab ins Tal. Der Trail ist heftig, Geröll, felsige und steile Bergab-Passagen, teilweise mit Stufen, wechseln sich ab. Meine Oberschenkel werden steinhart und die Knie ächzen.
Laufen kann man hier nicht mehr wirklich gut.
Nach Le Bourg d`Aroud (930 m, 176 km) erwartet mich nur noch ein langer Anstieg mit einer Höhendifferenz von 725 m, bis das Ziel in Les Deux Alpes (180 km) erreicht ist.
Ein langweilige Runde führt noch einmal fast rund um den um diese Zeit nahezu menschenleeren Ort, bevor ich am Samstag um 21:05 h meine liebe Frau Margot im Ziel umarmen kann.
Die Finisherquote beträgt bei 163 Ankömmlingen und 242 Startern ca. 67 Prozent.
Axel Bücheler (rechts) ist am Sonntag Vormittag schon wieder als Helfer im Einsatz. Links Patrick Laval.
Défi de l'Oisans en 8 étapes et 6 jours
Der TOE 2011 wird somit wohl nicht nur für mich ein einmaliges Erlebnis bleiben